Auf die Frage ‘Ist das Glas für Sie halb voll oder halb leer?’ wird die häufigere Antwort wohl ‘Halbvoll sein’. Das erscheint mir zumindest die geläufigere Antwort. Unabhängig davon, was Sie wirklich meinen.
Auch ich hätte die Antwort bisher so gegeben. Aber ich bin mir mittlerweile nicht mehr so sicher, ob diese Sichtweise immer richtig ist. Halbvoll klingt nach ‘ich bin zufrieden damit‘ oder ‘es ist schon recht, wie es ist’. Halbleer dagegen klingt eher nach ‘damit bin ich nicht zufrieden‘ und nach ‘das soll anders werden’.
Es ist unsere Wahl, ob wir mit dem momentanen Zustand zufrieden sind. Und es ist genau so meine Wahl, ob ich jammere, meckere und den Kopf in den Sand zu stecken. Denn dann bleibe ich, wo und was ich bin.
Aber es liegt auch an uns, die Unzufriedenheit als Antrieb zu nutzen und in Schwung zu kommen, um die Situation zu verändern. Diese Variante ist anstrengender und erfordert auch mehr Mut als nur weiter skeptisch nichts zu tun.
Wir müssen unsere Komfortzone verlassen. Und es ist nicht gesagt, dass wir gleich in die richtige Richtung laufen. Doch wenn wir es versucht haben, wissen wir zumindest, dass dieser Weg ein Irrweg ist, aus dem wir etwas lernen können.
Wenn ich das nächste mal gefragt werde < Ist das Glas halbleer oder halbleer? > werde ich antworten: < Egal. Ich hole mir jetzt noch etwas mehr. > … Ein Perspektivenwechsel.
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Halb zog sie ihn, halb sank er hin. Über Veränderungen.
Lieber Christoph,
wie immer: eine hintersinnige Betrachtung! Mir fällt zur berühmten Glasfrage immer ein ungarisches Sprichwort ein, das die Frage nach halbvoll oder halbleer mit „egal“ beantwortet, denn „Hauptsache, Du hast ein Glas“ (= eine Chance).
Herzliche Grüße
Bettina
Salut,
ich habe in England mal ein T-Shirt gekauft darauf stand:
Love it
Leave it
Change it
Das trifft es meiner Meinung nach absolut perfekt: Wenn ich eine Situation betrachte, muss ich mich immer entscheiden, ob ich damit zufrieden bin oder nicht.
Wenn ich „ja“ sage – dann sollte ich damit auch rundum zufrieden sein, alles andere ist dummes Zeug. Wenn ich aber nicht rundum damit zufrieden bin, dann habe ich wiederum zwei Möglichkeiten: Nämlich entweder ich gebe die Situation auf und setze mich einfach gar nicht mehr damit auseinander, oder ich versuche die Situation zu verändern.
Aber so eine „lauwarm“ Einstellung, die macht auf Dauer enorm unzufrieden.
Das kann man auch auf den Füllzustand des Glases übertragen:
Ich denke, es ist nichts gegen ein zu 50% gefülltes Glas einzuwenden, wenn man zB auch nur genau so viel trinken möchte, wenn es einem ansonsten zu viel/zu schwer/zu teuer oder welches „zu“ auch immer wäre. Dann liebt man sein halbes Glas und es ist völlig wurscht, ob es halb leer oder halb voll ist, weil es insgesamt eben genau richtig ist.
Ein „halbleeres“ Glas -als gezielt gewählter Ausdruck- war mal voll und wird weniger. Es bedeutet, dass man dabei ist auszutrinken und danach ist es auch gut. Das halb geleerte Glas zeigt an, dass man schon die Hälfte geschafft hat.
Ein halbvolles Glas dagegen wird gerade eingeschenkt. Da arbeite ich noch daran, dass es ganz voll wird. Hier zeigt mein Ausdruck, dass ich dabei bin, die Sachlage zu verbessern.
Interessant finde ich nun, dass wir prinzipiell dasselbe meinen, nämlich, dass Unzufriedenheit immer als Motor genutzt werden sollte, um eine Situation zu verändern. – Nämlich entweder verlassen oder verbessern, aber nicht einfach nur stillhalten und leiden. Wir interpretieren die Metapher des halbgefüllten Glases dabei zwar komplett andersrum, aber im Grunde kommt es darauf gar nicht an, wenn die Aussage dahinter die gleich ist. Das einzige, was mir bei Ihrer Erläuterung fehlt, ist die Quintessenz des ungarischen Sprichwortes, dass es nämlich auch die Möglichkeit gibt, dass einem der Pegel des Glases völlig wurscht ist, weil man sich schon darüber freut, dass man überhaupt ein Glas hat. Dieser Denkansatz wird häufig übersehen, wenn Leute auf hohem Niveau jammern. Die sind dann tatsächlich unzufrieden, weil sie meinen, ihnen fehlt etwas, ohne zu beachten, dass sie allen Grund hätten, die aktuelle Situation einfach nur zu lieben, denn besser wird kaum möglich sein.
Und hier schließt sich dann der Kreis zu meiner Lebensmaxime: Jammere ruhig, aber freu dich, wie gut es dir geht.
Hallo Frau Feldmann,
danke für diesen ausführlichen Kommentar. Er hat mir (mal wieder) gezeigt, wie das so mit den Bildern und Beispielen bei mir ist: Sie passen. Und dann doch wieder nicht so richtig.
Worüber ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht habe, ist über die Bedeutung von halbleer, halb geleert und halbvoll. Das war für mich prima. Besten Dank!
Christoph Nowag
Hallo Bettina,
danke für die Ergänzung. ‚Egal. Hauptsache ich habe ein Glas‘ gefällt mir.
Beste Grüße
Christoph
Hallo Christoph!
Das klassische Beispiel wieder neu aufgerollt, super! Aber ich habe einmal gelernt, dass das Glas immer voll ist. Die andere Hälfte ist schließlich Luft. Das heißt das Glas muss nur mit wertvollerem Inhalt gefüllt werden, denn Luft gibt es im Überfluss.
Noch eine andere Sichtweise. 🙂
Viele Grüße aus Stuttgart!
Jonas